Zu viel Schlaf

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Einfach ausschlafen können – für viele Menschen ist das ein scheinbar unerreichbarer Luxus. Doch wie viel Schlaf ist noch gesund und sollte ein Mensch überhaupt so viel schlafen, wie er möchte? Führt dies eventuell sogar dazu, dass er zu viel Schlaf bekommt? Wirkt sich die Gewohnheit als Langschläfer langfristig negativ aus, indem sich der Körper an viel Ruhe gewöhnt und diese letztendlich sogar einfordert? Die moderne Forschung beschäftigt sich zunehmend mit diesem Problem und kommt zu eindeutigen Antworten. Sicher ist zunächst einmal, dass sich für jeden Menschen ein individuelles Schlafbedürfnis feststellen lässt, damit er sich in der wachen Zeit wohlfühlt und eine hohe Leistungsfähigkeit entwickelt.

Schlaf ist mehr als eine Ruhezeit

Lange Zeit wurde Schlafen ausschließlich unter biologischen und physischen Aspekten betrachtet, ohne dabei die Psyche zu beachten. Ein Grund dafür ist, dass bis Ende des 20. Jahrhunderts nur wenige Untersuchungen stattfanden, mit denen gesunde Nachtruhe gesamtheitlich erforscht werden sollte. Wichtige Erkenntnisse ergaben sich erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts, als sich Wissenschaftler erstmals die Frage stellten, wie das Wechselspiel zwischen Schlafbedürfnis und -dauer funktioniert und ob Langschläfer möglicherweise zu viel schlafen oder einfach ein erhöhtes Bedürfnis nach Ruhezeiten besitzen. Gleichzeitig machen es moderne Methoden wie die Tomografie möglich, die Funktion des Schlafs und dessen Mechanismus zielgerichtet zu untersuchen.

Ärzte schauen auf Monitor mit Schlafdaten
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Was passiert

Bei neueren Forschungen hat sich herausgestellt, dass Schlafen keineswegs eine Ruhezeit darstellt, sondern stattdessen zahlreiche Prozesse auf einer mikrobiologischen Ebene ablaufen. So steigt beispielsweise die Aktivität in bestimmten Organen an und der Körper produziert verstärkt einige Hormone und Enzyme, deren Herstellung er während der Wachphasen drosselt. Obwohl sich der allgemeine Stoffwechsel verlangsamt, nimmt die Tätigkeit in bestimmten Zellen – zum Beispiel der Haut – zu. Es ist dabei nicht relevant, ob es sich um einen sogenannten Frühaufsteher oder eine Schlafmütze handelt – die Prozesse laufen unabhängig von der Tageszeit und der Schlafdauer ab. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen dient dieses Verhalten hauptsächlich dem Zweck, die körpereigenen Ressourcen zu regenerieren und gewissermaßen ein Reservoir für die kommende Wachzeit zur Verfügung zu stellen.

Schlafebenen

Bei der Beobachtung unterscheiden die Wissenschaftler neben Schlafphasen zwei unterschiedliche Ebenen – eine psychologische, die vom Gehirn gesteuert wird und für eine geistige Erholung verantwortlich ist und eine körperliche Instanz, auf der die diversen mikrobiologischen Vorgänge ablaufen und die mit der allgemeinen Gesundheit und der Zellbiologie in Zusammenhang steht. Fest steht, dass ein Mangel an Schlaf beiden Bereichen gleichermaßen schadet – auch in diesem Fall vollständig unabhängig davon, ob es sich individuell um einen Frühaufsteher, einen Langschläfer oder eine Schlafmütze handelt.

Frau schläft im Schlaflabor
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Schlafdauer schwankt mit dem Lebensalter

Der Schlaftyp sagt ebenfalls nur wenig über die Menge des tatsächlich benötigten Schlafes aus, die zudem im Laufe des Lebens stark variiert. Die meiste Ruhe benötigen Neugeborene und Babys sowie Kleinkinder bis zu einem Alter von ungefähr drei Jahren – sie schlafen zwar nicht immer regelmäßig, dafür verbringen die kleinen Langschläfer aber mit bis zu 20 Stunden am Tag viel Zeit damit, sich auszuruhen. Kinder und Jugendliche besitzen weiterhin ein erhöhtes Schlafpensum, das bis zum Abschließen der Pubertät bei rund neun bis zehn Stunden liegt. Bei Erwachsenen sinkt die Dauer je nach Lebensalter und Gesundheit auf ungefähr sieben bis acht Stunden, um im Alter wieder anzusteigen. Allerdings wirken sich ab dem zehnten Lebensjahr verstärkt zusätzliche Faktoren aus, die nicht allein die Dauer, sondern auch den Schlafrhythmus prägen.

Bei Erwachsenen ist das Schlafbedürfnis individuell ausgeprägt

Mit circa 20 bis 25 Jahren hat sich der Phänotyp eines Menschen vollständig entwickelt und bestimmt für die kommenden Jahrzehnte auch dessen Schlafbedürfnis und -gewohnheit. Dabei stellen Wissenschaftler sowohl in praktischen Untersuchungen wie bei Befragungen erhebliche Unterschiede fest, deren Ursachen nicht vollständig erforscht sind. Bewiesen ist allerdings, dass es sich bei dem Schlafbedürfnis um ein komplexes System handelt, bei welchem sowohl die Gewohnheit wie auch die genetische Veranlagung entscheidende Rollen spielen. Ein gesunder Körper benötigt dabei eine tägliche Ruhezeit zwischen fünf und neun Stunden, um seine Leistungsfähigkeit zu erhalten. Dies sagt aber nur wenig über den subjektiv empfundenen Grad der Erholung aus. Die Faktoren, die die Unterschiede in der benötigten Schlafdauer bestimmen, sind subjektiv nur begrenzt zu steuern und können aktiv nur schwierig verändert werden. Am einfachsten geht dies über die Schlafqualität, auf die externe Bedingungen wie ein hochwertiges Bettsystem, aber auch akute oder chronische Krankheiten Einfluss nehmen.

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Zu viel Schlaf beeinträchtigt Leistung und Gesundheit

Es ist unbestritten, dass nicht nur zu wenig, sondern auch zu viel Schlaf negative Auswirkungen auf die Psyche und die Gesundheit haben kann. Dabei handelt es sich allerdings in der Regel um chronische Langschläfer, bei denen die erhöhte Dauer nicht selten auf körperliche Ursachen zurückzuführen ist. Probleme entstehen deshalb nicht für einzelne Personen, die beispielsweise nach einer anstrengenden Woche einen Tag zu viel schlafen, sondern erst bei regelmäßigem und dauerhaftem Überschuss. In repräsentativen Studien zeigt sich hier unter anderem eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, eine psychische Erkrankung wie Depression zu entwickeln. Allerdings ist unter Medizinern die Wechselwirkung zwischen Ursache und Folge umstritten, so dass keine Einigkeit besteht, ob zu viel Ruhe eher ein Symptom oder einen Risikofaktor einer Krankheit darstellt. Ständige Müdigkeit, die ungewöhnlich häufig auftritt, sollte unbedingt mit einem Arzt besprochen werden.

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Wie viel Schlaf ist gesund?

Wegen der individuellen Veranlagung jedes Menschen kann keine allgemein verbindliche Aussage darüber getroffen werden, ob eine bestimmte Schlafdauer zu wenig, gerade ausreichend oder zu viel ist. Wichtig ist auch weniger die Länge des Schlafes an sich, sondern vielmehr seine Qualität und die Zeit, die eine Person in den für die Erholung relevanten Phasen des Tiefschlafs verbringt. Darüber hinaus ist gesunde Erholung nur möglich, wenn ein Mensch sein gesamtes Schlafoptimum ohne Unterbrechungen nutzen kann. Dauerhafte Störungen oder unruhige Nächte mit häufigen Wachphasen verhindern sowohl das Verweilen in einer Tiefschlafphase wie auch die körperliche Erholung. Das weisen mehrere entsprechende Studien nach, bei denen die Probanden nach regelmäßigen Störungen der Schlafphase nicht nur über ein Gefühl der Erschöpfung, sondern auch signifikant häufiger über akute Beschwerden klagten.

Als Mythos hat sich hingegen die Behauptung herausgestellt, dass die Uhrzeit etwas mit der Qualität des Schlafes zu tun hat, sofern die Umgebung vollständig abgedunkelt ist. Im Gegensatz zu einer oft gehörten Behauptung ist der Schlaf vor Mitternacht ebenso erholsam wie der danach – allerdings bleibt im ersteren Fall natürlich mehr Zeit zum Ausschlafen.

schlafendes Mädchen
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Der eigene Körper gibt das Schlafoptimum vor

Sofern keine gesundheitlichen Einschränkungen vorliegen, die beispielsweise den Betroffenen zur Bettruhe zwingen, nutzen Menschen automatisch ihr individuelles Schlafoptimum. Es fällt sehr schwer, dieses dauerhaft bewusst oder unbewusst zu unter- oder zu überschreiten. Ein Alltagsproblem besteht ohnehin weniger darin, dass Menschen zu viel, sondern vielmehr, dass sie nicht ausreichend schlafen. Ein chronisches Schlafdefizit beeinträchtigt die Gesundheit deutlich und gilt als Risikofaktor für zahlreiche chronische und akute Krankheiten, ist aber in der modernen Gesellschaft weit verbreitet. Nach Schätzungen der Denkfabrik Rand sind jährlich etwa 200.000 Krankheitstage auf Übermüdung der Mitarbeiter zurückzuführen. Der wirtschaftliche Schaden aufgrund von Schlafmangel beläuft sich auf beinahe 60 Milliarden Euro. Die Auswirkungen von zu viel Schlaf sind demgegenüber sehr viel geringer.